Präriepost

15. November, 2020

Herbsttage – spät im Jahr steigen die Temperaturen nur noch selten, um sich gegen den ankommenden Winter stemmen zu können. Der Wind fegt durch die Bäume und lässt kaum noch ein Blatt an ihren Ästen. Die Wolken hoch oben ziehen schnell von Süden nach Norden, als wollten sie dort mit dichtem Schnee beladen werden. Die Bewohner im Dorf haben ihre Rechen aus dem Geräteschuppen geholt, um die letzten Blätter zusammenzufegen, damit die Kinder in den großen, bunten Blätterberg springen können. Die ältere Generation macht es sich einfacher, indem sie mit dem Rasenmäher über das Blätterwerk fahren oder ihren Laubbläser anwerfen.

Nun sieht man noch besser, was der Derecho vor wenigen Wochen angerichtet hat. Ganze Bäume liegen umgefallen in den Waldstücken, manch starke Äste hängen verdreht von den Hauptstämmen herunter. Wochen hat es gedauert bis die gefallenen Bäume und Äste von den Gärten wegeräumt wurden. Und die Dorfbewohner zucken nur mit den Achseln, „Was soll man anderes machen“, sagen sie, „was weg muss, muss weg.“

Nur die Tierwelt scheint unbeindruckt von den Ereignissen der Saison. Ein Biber hat sich im Dorfsee eingefunden; vielleicht hat er die vielen umgefallenen Bäume als Ansporn gesehen, noch den einen oder anderen Baum zusätzlich abzunagen. Die Rehe halten sich geschützt im Hintergrund, denn sie wissen wohl, dass sich die Jäger alljährlich zum Jagdhornblasen zusammenfinden. Die Zugvögel schwirren an manchen Tagen hastig durch die Gegend, und auch ein Fuchs gesellt sich mittlerweile wieder zur fröhlichen Tierwelt.

Es ist ein ungewöhnliches Jahr, hier wie auch sonstwo. Sie verstecken sich in ihren Häusern, um dem Coronavirus aus dem Weg zu gehen. Schon hatte man geglaubt, dass die Krise überwunden sei, aber jetzt zucken die Dorfbewohner nur mit den Achseln. „Es kommt, wie es kommt“, sagen sie dann. Die Zeit, in der sich Nachbarn in den Hintergärten oder im nahegelegenem Park mit Freunden und Bekannten getroffen haben, ist vorbei – es ist unangenehm kühl geworden.

Auch wollen sie nicht mehr über politische Ereignisse sprechen. Die Entscheidung ist gefallen, es gibt einen Wechsel an der politischen Spitze. Sie atmen einmal tief durch und manche Dorfbewohner zucken nur mit den Achseln, andere jubeln vor dem Bildschirm. „Endlich Normalität in der Welt“, denken sie dann. Da scheint es wichtiger, auf die Dorfmannschaft zu schauen. Nach anfänglichen Schwiergkeiten haben die Footballspieler wohl ihren Rhythmus gefunden. Und auch der Coach hat sich wieder mit den Professoren versöhnt, nachdem er seine Drohung nicht wahrmachen konnte, den gesammten Kulturbetrieb einzustellen, da im ersten Footballspiel ja auch keine Zuschauer zugelassen wurden. Jetzt dürfen die Anhänger wieder ins Stadium, um sich dort mit dem Football und dem Virus auseinanderzusetzen, und auch das Theater wird wieder aufgeschlossen werden.

Der Campus scheint verlassen zu sein – nur wenige Professoren treffen sich noch mit ihren Studenten in den Seminarräumen; alles hat sich in den Cyberraum verzogen. Dort werden die Vorlesungen auf Video abgespeichert, und Studenten diskutieren online in ihren Diskussionsgruppen. Die Administration publiziert die jeweiligen Fallzahlen; nur acht Professoren sind bis jetzt betroffen, einige hundert Studenten befinden sich in Isolation oder Quarantäne. Die Professoren zucken nur mit den Achseln und sagen, „Durchhalten, durchhalten… die letzte Semesterwoche ist angebrochen.“

Es sind ungewöhnliche Zeiten, keiner weiß zu sagen, wie lange es noch so weitergehen wird. Sie zucken die Achseln, hier in der Prärie, wo der Herbstwind  aus vollen Backen bläst, wo sich die Dorfbewohner vor dem Virus verstecken und wo alles auf den Semesterabschluss wartet.

Herbsttage – spät im Jahr steigen die Temperaturen nur noch selten, um sich gegen den ankommenden Winter stemmen zu können. Der Wind fegt durch die Bäume und lässt kaum noch ein Blatt an ihren Ästen. Die Wolken hoch oben ziehen schnell von Süden nach Norden, als wollten sie dort mit dichtem Schnee beladen werden. Die Bewohner im Dorf haben ihre Rechen aus dem Geräteschuppen geholt, um die letzten Blätter zusammenzufegen, damit die Kinder in den großen, bunten Blätterberg springen können. Die ältere Generation macht es sich einfacher, indem sie mit dem Rasenmäher über das Blätterwerk fahren oder ihren Laubbläser anwerfen.

Nun sieht man noch besser, was der Derecho vor wenigen Wochen angerichtet hat. Ganze Bäume liegen umgefallen in den Waldstücken, manch starke Äste hängen verdreht von den Hauptstämmen herunter. Wochen hat es gedauert bis die gefallenen Bäume und Äste von den Gärten wegeräumt wurden. Und die Dorfbewohner zucken nur mit den Achseln, „Was soll man anderes machen“, sagen sie, „was weg muss, muss weg.“

Nur die Tierwelt scheint unbeindruckt von den Ereignissen der Saison. Ein Biber hat sich im Dorfsee eingefunden; vielleicht hat er die vielen umgefallenen Bäume als Ansporn gesehen, noch den einen oder anderen Baum zusätzlich abzunagen. Die Rehe halten sich geschützt im Hintergrund, denn sie wissen wohl, dass sich die Jäger alljährlich zum Jagdhornblasen zusammenfinden. Die Zugvögel schwirren an manchen Tagen hastig durch die Gegend, und auch ein Fuchs gesellt sich mittlerweile wieder zur fröhlichen Tierwelt.

Es ist ein ungewöhnliches Jahr, hier wie auch sonstwo. Sie verstecken sich in ihren Häusern, um dem Coronavirus aus dem Weg zu gehen. Schon hatte man geglaubt, dass die Krise überwunden sei, aber jetzt zucken die Dorfbewohner nur mit den Achseln. „Es kommt, wie es kommt“, sagen sie dann. Die Zeit, in der sich Nachbarn in den Hintergärten oder im nahegelegenem Park mit Freunden und Bekannten getroffen haben, ist vorbei – es ist unangenehm kühl geworden.

Auch wollen sie nicht mehr über politische Ereignisse sprechen. Die Entscheidung ist gefallen, es gibt einen Wechsel an der politischen Spitze. Sie atmen einmal tief durch und manche Dorfbewohner zucken nur mit den Achseln, andere jubeln vor dem Bildschirm. „Endlich Normalität in der Welt“, denken sie dann. Da scheint es wichtiger, auf die Dorfmannschaft zu schauen. Nach anfänglichen Schwiergkeiten haben die Footballspieler wohl ihren Rhythmus gefunden. Und auch der Coach hat sich wieder mit den Professoren versöhnt, nachdem er seine Drohung nicht wahrmachen konnte, den gesammten Kulturbetrieb einzustellen, da im ersten Footballspiel ja auch keine Zuschauer zugelassen wurden. Jetzt dürfen die Anhänger wieder ins Stadium, um sich dort mit dem Football und dem Virus auseinanderzusetzen, und auch das Theater wird wieder aufgeschlossen werden.

Der Campus scheint verlassen zu sein – nur wenige Professoren treffen sich noch mit ihren Studenten in den Seminarräumen; alles hat sich in den Cyberraum verzogen. Dort werden die Vorlesungen auf Video abgespeichert, und Studenten diskutieren online in ihren Diskussionsgruppen. Die Administration publiziert die jeweiligen Fallzahlen; nur acht Professoren sind bis jetzt betroffen, einige hundert Studenten befinden sich in Isolation oder Quarantäne. Die Professoren zucken nur mit den Achseln und sagen, „Durchhalten, durchhalten… die letzte Semesterwoche ist angebrochen.“

Es sind ungewöhnliche Zeiten, keiner weiß zu sagen, wie lange es noch so weitergehen wird. Sie zucken die Achseln, hier in der Prärie, wo der Herbstwind  aus vollen Backen bläst, wo sich die Dorfbewohner vor dem Virus verstecken und wo alles auf den Semesterabschluss wartet.

Präriepost

25. Mai, 2020

Nun ist er da, der lange Sommer. Die Temperaturen steigen auf 27 Grad, und heftige Gewitter ziehen durchs Land. Regenwasser überflutet die Felder, und der Wassergott Neptun droht so manchem Keller mit seinem Dreizack. Der erste Tornado ging in der Nachbarschaft nieder, riss die Dorfampel aus dem Fundament und schleuderte sie ungestüm durch die Gegend. Zwischendurch wechselt sich Regen mit Sonnenschein ab, und die Bauern zucken nur mit den Schultern, „was soll´s?“ fragen sie, „wir haben´s schon schlimmer gehabt.“

Die Vögel zwitschern ungeachtet weiter, am Nachmittag wird es auch ihnen zu warm. Der erste Kolibri flattert geschwind durch die Gegend, und der Goldzeisig fliegt munter auf ein gelbes Vogelhäuschen zu. Die ersten Hausschwalben segeln durch die Lüfte, denn es gibt mittlerweile genügend Insekten. Zwei Gänsefamilien wackeln munter durch die Gegend; wenn einzelne Menschen über den Weg laufen, zischen sie einige Male drohend laut auf.

Familie Reineke strolcht munter durch die Gegend. Sechs Welpen kommen jeden Abend aus dem Fuchsbau um miteinander zu raufen. Seit dem Wurf der jungen Füchse lässt die Hasenbevölkerung stetig nach; sie hätten besser in der Häschenschule aufpassen sollten.

Zufrieden können die Dorfbewohner nicht wirklich werden, hier in der Prärie. „Das Virus hat uns fest im Griff“, sagen sie zaghaft, manche durch ihren selbstgebastelten Mundschutz. Andere halten nicht viel von den Beschränkungen, an die sie sich halten sollten.“Sie nehmen mir meine Freiheit,“ meinen sie, „niemand wird mich daran hindern, hier durch die Gegend zu tingeln.“ Aber dann sind sie doch vorsichtig, gehen anderen Menschen auf der Dorfstraße aus dem Weg und winken sich nur von Weitem zu. „Hello in there – bleib nur gesund“, rufen sie, denn sie wissen: wenn der Nachbar betroffen ist, sind sie als Nächstes dran.

Die Familientreffen finden nur noch über Zoom statt; man spricht, man lacht, man spielt gemeinsame Computerspiele, liest den Enkeln Geschichten vor und tauscht Bilder und kurze Videos aus. Enige Dorfbewohner haben versucht, in der Präriestube einzukehren, doch sie fanden lediglich ein Aushängeschild: „Nur für Abholder, von 18:00 bis 20:00 Uhr nach Vorbestellung“. Die verärgerten Besucher beklagen sich dann, denn sie können sich nicht vorstellen, ihr Essen jeden Abend selber kochen zu müssen.

Allerdings dürfen die ersten Nachbarschaftstreffen wieder stattfinden. Wie sonst nur selten hört man aus den Gärten die ersten Partystimmen, sie versammeln sich schön im sicheren Abstand von sechs Fuß. Endlich sich wieder bemerkbar machen, endlich wieder Herrscher über die Natur werden! Zur Abenddämmerung gehen sie dann auf ihre Terassen und schließen sich allen Nachbarn an zum großen Wolfesheulen.

Die Universität hat ihr Sommersemester abgeschlossen – mehr als 6.000 Vorlesungen und Seminare wurden nur online angeboten. Auf dem Campus aber hört man auch weiter den Glockenturm. Die Rektorin gibt sich weiter voller Optimismus – da werden wir durchkommen, auch wenn wir schon jetzt ein großes Defizit aufweisen – wir wissen mit Krisen umzugehen. Die Abteilungen sollen sich schon einmal auf Reduzierungen um zehn Prozent einstellen. Die Studenten bekommen vom Staat einen Zuschuss, doch die einen oder anderen schicken den Scheck umgehend an die Universität zurück. „Habe Sommerarbeit gefunden, andere brauchen den Zuschuss mehr als ich“, schreiben sie dazu.

Der Sport fehlt der Landbevölkerung wohl am meisten. Wie soll man das Wochenende ohne Baseball verbingen? Wann können die Footballspieler endlich nach draußen? Wann gibt es wieder Sportseiten zu lesen? Da bleibt einem nur der Tigerkönig, denn der Zooeigner beherrscht das Netflix. Wem dies zu aufreibend ist, der verbingt die Zeit mit den neusten TikTok Videos, denn sonst bleiben den Dorfbewohner nicht viele Möglichkeiten der Unterhaltung, hier, wo es Sommer ohne Saison ist, wo die Studenten in der Ferne bleiben, und wo TikTok zur täglichen Ablenkung wird.

Präriepost

March 18, 2020

Es wird wärmer, hier, in der Prärie, möglicherweise können wir den Winter in die Vergangenheit zurückdrängen. Sicher, es gibt auch weiterhin ein Auf und ein Ab der Witterungslage, sonst wären wir nicht in der Prärie. Die dicken Wolken ziehen sich schleppend über den Horizont, sie sagen eine anstehende Regenzeit voraus. „Nicht schon wieder Überschwemmungen“, bekunden sie hier, „die Schneeschmelze aus dem Norden bringt uns genug Probleme“. Sie wollen aufs Feld, hier, es juckt in den Fingern, die aufregendste Zeit beginnt in der Prärie, die Felder wollen bestellt werden.

Die Vögel kehren aus dem tiefen Süden zurück, sie suchen ihre alten Futterstellen auf, klopfen wie immer im Frühling an morschen Bäumen und landen wie kleine Segelflugzeuge auf dem großen See. Die Füchse strolchen tagsüber durch die Gegend, sie haben im Gesträuch einen neuen Fuchsbau gefunden und tragen dort täglich ihre Beute hinein. Rehe wittern mögliche Schützenjäger und springen mit viel Ehrgeiz durch die Gegend. Die Natur lebt auf.

Nur die Menschen hier auf dem Dorf trauen sich nicht richtig aus dem Haus. Wie fast überall droht Corona in den Schulen, an der Universität, in den Geschäften und in den Sporthallen. Die Angst geht um bei manchen, die Widerrede bei anderen. “Wird schon nicht so schlimm sein“, sagen die einen, „besser noch einmal die Hände waschen“, sagen die anderen. Die Universität verlegt allen Unterricht ins Netz, egal ob Physik oder Psychologie. Restaurants, Seniorenzentren, Kinos, alles ist geschlossen. Nur die Farmer schütteln den Kopf. „Bei uns ändert sich nichts“, sagen sie, „wir leben auf dem Land, fernab jeder ansteckenden Zivilisation.“ Mit Stolz raunen sie, „wir sind die letzten, die hier überleben werden“.

Doris, die erst seit kurzem die Präriestube leitet, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Wie soll ich nur weitermachen“, beklagt sie sich, denn ab heute dürfen nur noch Essensabholer von ihr bedient werden. Der irische Wirt konnte am Sankt Patrickstag kein grünes Bier ausschenken, und vor dem großen Parkplatz zum Bratrost steht nicht ein einziges Auto. Essen auf Rädern wird nur noch vor der Tür abgestellt, dann warten die Fahrer im Auto bis sich jemand meldet. Die Supermärkte haben mittlerweile geänderte Öffnungszeiten, um ihre Erwerbstätigkeit in die Desinfektion zu verlagern. In der ersten Morgenstunde dürfen nur ältere Menschen den Dorfladen betreten.

Manche vertreiben sich die Zeit mit einem oder mehreren Puzzlen, andere hält es nicht mehr in der Wohnung, sie bearbeiten die Präriegräser in ihren Gärten und schneiden die Wassertriebe ihrer Obstbäume. Nur aus der Ferne rufen sie ihren Nachbarn „alles Gute“ zu, „bleiben Sie nur gesund,“ und „immer nur positiv denken.“ Entfernte Verwandte treffen sich über Zoom, Skype und Facetime. „Intimacy at a distance“, sagen die Familienforscher, „semper in absentes felicior aestus amantes“ [absence makes the heart grow fonder], schrieb einst schon der römische Dichter Sextus Propertius.

Den größten Verdruss aber verbreiten die ausgefallenen Sportveranstaltungen. Es ist „March Madness“ hier, das jährliche Basketeballturnier der Universitäten. Was sollen wir ohne Sportbegeisterung nur anfangen? Niemand wird täglich in der Präriestube einkehren um dem ersten bis zum letzten Korbball nachzufiebern. Allerdings gibt es einen Trost. UnserePräriejungen konnten sich diesmal nicht für das Turnier qualifizieren. Es gibt also keinen Verlust, und die Studenten können sich weiter hinter ihren Computern verstecken, um die von den Professoren ins Netz gestellten Aufgaben zu bearbeiten, hier, wo man auf wenig Regen hofft, wo Corona an fast allen Fenstern klopft und wo die sportfreie Zeit die eine oder andere Gemütskrankheit auslösen wird.

Präriepost

Präriepost

31. Dezember 2017

Es ist kalt in der Prärie, bitterkalt. Das Thermometer steht bei Minus 29 Grad, und der Wind peitscht das Seinige in die frostigen Gesichter der Dorfbewohner, die schnell in den Einkaufsladen laufen um die nötigsten Besorgungen für den Silvesterabend zu erledigen. Die Wetterfrösche warnen vor der Gefahr eines Frostbites, den man schon in wenigen Minuten in der Kälte erleiden kann. Aber man zuckt nur die Achseln; dieses Wetter gerhört zur Seelenruhe der Menschen in der Prärie. „Wer mit dem Wetter hier nicht klarkommen kann“, sagen sie, „ soll doch nach Florida oder Arizona ziehen.“ „Nur wer sich der Kälte stellt, kann erfolgreich überwintern.“

Pünktlich zum Fest hat sich auch Frau Holle gemeldet und ein paar Zentimeter schnell auf den Prärieboden fallen lassen. Die Wiesen und Felder sehen jetzt wie mit weißer Farbe bemalt aus, die Bäume sind mit Schneestrichen dekoriert, und der Weihnachtsschmuck auf dem Terassengeländer glitztert unter einer angefrorenen Schneedecke. Die Natur verschönert das Land liebevoll zur Weihnachtszeit.

Im Seniorenzentrum teilen die Mitglieder des Aufsichtsrates zum Weihnachtsfest das Essen aus. Die älteren Menschen bedanken sich mit einem freundlichen Lächeln. Auch die Mitarbeiter werden reichlich bedient und bekommen ihren wohlverdienten Jahresbonus. Wer hier arbeitet, kennt sich aus mit sozialem Verständnis und unterstützt soziale Gerechtigkeit.

Das Christfest ist vorbei, und die jungen Leute, die ihre in der Prärie zurückgeblieben älteren Menschen besucht haben, sind wieder in ihre Großstädte zurückgekehrt. Die Kindergesichter haben nicht mehr dieselbe leuchtende Ausstrahlung, mit der sie am Weihnachtsmorgen zum Tannenbaum gelaufen sind, und die ältere Generation bereitet wieder gewöhnliche Tagesgerichte statt der ausgiebigen Weihnachtsmenüs vor. Nun bleibt die Erinnerung an den Weihnachtsmann, der wie aus dem Nichts in die Stuben stürmte um dann schnellstens wieder ins weite Feld zu ziehen.

Der neue Pastor aus Florida muss sich erst an die Kälte im Norden des Landes gewöhnen. Kurz vor Weihnachten sah man ihn in der Dorfschänke, wo er mit Laptop unter dem Arm eine kreative Ecke aussuchte, um seine Weihnachtsbotschaft zu schreibem. Nur so richtig einfallsreich war ihm wohl nicht zumute, denn zwischen Husten und Niesen brachte er nur den einen oder anderen Satz aufs imaginäre Papier. Pünktlich zurm Weihnachtsgottesdienst war seine erste Rede an die Gemeinde dann doch fertig. Langsam und bedächtig und nicht gerade ermahnend hob er seine Stimme und forderte seine Zuhörer auf, ihre normale Routine zu unterbrechen. „Wir sind Protestanten“, sinnierte er, „wir sind dafür bekannt, nicht all das anzunehmen, was als selbstverständlich gilt“. Und nach einer rhetorischen Pause schloss er seine Predigt mit den Worten, dass wir einmal aus der Reihe treten sollten, dass wir in diesen wirren Zeiten einmal alles neu überdenken müssten.

Die Gemeinde hört sich diesen Rat geduldig an, ist aber wenig überzeugt. Hier, in der Prärie, lebt man in steter Berechenbarkeit, die Routine wird zur Lebensweise, die man nur ungern bricht. So wie der bitterkalte Winter und der brütendheiße Sommer vorhersagbar sind, so sind auch die Gewohnheiten der Menschen in der Dorfgemeinschaft vorhersagbar. Nun ja, wer aus Florida kommt, muss sich erst umsehen in dieser Gegend, um zu verstehen.

Die Studenten haben den Campus verlassen, sie sind zurück in ihre Heimatstadt und lassen es sich vor dem Computer mit populären Online-Programmen gemütlich ergehen. Hin und wieder schreiben sie ihren Professoren, um über die letzte Klausur- oder Semesternote zu klagen. Warum eigentlich haben sie nur 91 und nicht 92 von 100 Punkten bekommen? Das Leben ist kompliziert in der Prärie.

Unsere Footballmannschaft hat sich mit Ehren geschlagen. In der Großstadt durften sie sich mit ihresgleichen messen. Da es diesmal auch im Süden des Landes ungewöhnlich kühl ist, hatten unsere Nachkömmlinge der Vikingerzunft leichtes Spiel mit dem warmblütigen Gegner. Zum ersten Mal musste der Quarterback des gegnerischen Teams mit Handschuhen spielen um den Ball griffig werfen zu können. Nicht so unser Held aus der Studentengemeinschaft – Kälte in der Prärie fördert die Konzentration, und so gab es den unerwarteten Sieg über die südliche Großstadtzunft.

Schon bald fängt das neue Semester an und die tägliche Routine wird zurückkehren. In der Kälte bleibt den Studenten nichts anderes übrig als sich in ihren Kammern zu verkriechen und die Hausaufgaben zu machen. Die Bewohner werden die Weihnachtslichter entfernen und Pastor Randy wird in der Dorfschänke seine nächste Predigt schreiben, hier, in der Prärie, wo die Kälte zur Lebenslage wird, wo die Studenten über ihre Zensuren klagen und wo Routine zum Erfolgserlebnis wird.

Präriepost

Präriepost

4. September 2017

Es ist schon recht kühl in der Prärie, auch wenn heute noch der letzte Sommertag gefeiert wird. Die dicken Wolken hängen ungewöhnlich tief, so als wollten sie die letzten Lichtstrahlen des Tages mit aller Wucht erdrücken. Ein leichter Wind weht, von Herbstürmen aber ist noch nichts zu merken. Den Menschen hier auf dem Lande wird es ein wenig wehmütig. Einmal noch in diesem Jahr wollen sie die drückende Hitze ertragen, noch einmal des Wetters Herausforderung annehmen, nassgeschwitzt den Rasen mähen – aber daraus wird in diesem Jahr wohl nichts mehr. „Müssen uns wohl auf den Schnee vorbereiten“, sagen sie dann, „lang wird es nicht mehr dauern.“

Man ist freundlich, im Spätsommer. Keine Klagen über die Hitze oder Kälte, die andauernde Trockenheit bringt den Vorteil, dass man weniger mähen muss. Die ungewöhnliche Freundlichkeit in der Prärie merkt man besonders an den Straßenkreuzungen. Niemand möchte als erster losfahren, „bitteschön, nach Ihnen“. Spätestens im Herbst wird sich das ändern.

Aber die Tiere der Prärie werden ungeduldig. Ein Schwarm schwarzer Krähen steht im morgentlichen Streit mit dem Virginiauhu, der sich mit seinem Gefieder und mit dem unverkennbaren Uhu-uhu-hu-hu laut in diesem Gebiet breitmacht. Mit seinen gelben Augen starrt er eingehend jeden Fremdling an, bis es einem vor Anmut und Argwohn ein wenig unheimlich wird. Den ganzen Tag und die ganze Nacht wird sich der Uhu bemerkbar machen.

Auch der Fuchs strolcht durch die Gegend, es wird Zeit, sich genügend Nahrung für den langen Winter zu schaffen. Hasen und Eichhörnchen sind dagegen eher vorsichtig. Allzu ängstlich dürfen sie aber auch nicht sein, da auch sie den Winter nur überleben, wenn sie genügend Nahrung finden. Nur die Kolibris finden genügend Blütennektar und starren gelegentlich durchs Fenster, also wollten sie mehr Zuckerwasser fordern. Die Natur ist im Gleichgewicht, hier, in der Prärie.

Und auch die Menschen kennen ihre spätsommerlichen Rituale. Das Sommerfest in der Nachbarschaft hat auch wieder sein Ende genommen – Kotelett. Schokolade, und Käse am Stock, viel Countrymusik; selbst die ehemalige Governeursfrau kann nicht mehr nüchtern über den Festplatz laufen, während die Jugend ihre Pferde, die fette Schweinezucht und ihre stolzen Hühner vorzeigt.

Auch die Gartenarbeit bringt endlich seinen Ertrag. Tomaten, Tomaten und noch einmal Tomaten. „Nicht schlecht“, bemerken sie, „kein schlechtes Tomatenjahr“. Nach der ersten Ernte werden große Schalen voller knallroter Tomaten in das Sekretariat gebracht – man bediene sich selber.

Das erste Footballspiel der Heimmannschaft ist gut gelaufen. Die Hoffnung in der jungen Saison auf eine siegreiche Serie ist bei den Optmisten noch nicht verloren gegangen. „Nur nicht gegen die Hawkeyes verlieren“, „da müssen wir schon gegenhalten.“ Die Studenten sind mittlerweile auch  wieder im Ort, sie gewöhnen sich langsam an die sonderbaren Seiten ihrer Professoren. Schon bald werden sie müde in der Vorlesung erscheinen, für sie gibt es offensichtlich auch noch andere Seiten des Lebens.

Manche Studenten laufen mit ihren Smartphones durch die Gegend, um den nächsten Pokémon zu finden und mit Pokébällen zu treffen. So kommen sie in Bewegungung, laufen zum See hinunter und treffen Sangbo, den Pokémon-Meister. „Zeig uns einmal, wie du es zur nächsten Stufe schaffst“, rufen sie dann, denn Sangbo is besser als alle anderen. Er freut sich, schnell mit anderen in Kontakt zu treten, er zeigt gerne, was er selbst erst vor kurzem gelernt hat.

Es ist die Zeit der letzten Picknicks und der Parties des Jahres, man begrüßt die Neuen in der Prärie und ist beruhigt, die Alteingesessenen wiederzusehen. „Sie waren im Urlaub?“ fragen sie dann, und hören, wie wunderbar die Schiffsreise den Rhein hinunter oder am Rande von Alaska gewesen sei. Andere wieder berichten von ihrer abgeschiedenen Zeit im Sommerhaus irgendwo im Norden – schön war es, auch wenn es dieses Jahr ein wenig kühl gewesen sei.

Es gibt keine wirklichen Klagen hier, in der Prärie, man ist zufrieden mit dem Leben, denn jahreszeitliche Herausforderungen sind absehbar – große Konflikte oder schlimme Naturereignisse gibt es nur selten, und wenn einmal wieder ein Tornado durch die Gegend wirbelt, dann formt dies eben den Charakter, hier, wo die Eulen ihr Terrain verteidigen, wo die Studenten sich langsam ans Lesen und Schreiben gewöhnen müssen und wo jeder Tag mehr Zufriedenheit als Zwist erbringt.