Bergblatt

Das Bergblatt

Heute aus Oberstdorf

18. Juli 2025

Es ist angenehm warm hier, in den Bergen. Wolkenfelder ziehen hinüber, und die Sonne bricht von Zeit zu Zeit durch die Wolken. Ab und zu gesellt sich die Regentrude dazu, um dem Leben ein vollständiges Bild zu verleihen. Man freut sich über den Niederschlag, denn die Hitze- und Trockenzeit war unangenehm lang.

Die Berge reihen sich hier majestätisch aneinander. Sie sind eng ineinander geschachtelt, so als wollten sie sich gerne dem Besucher vorstellen. Ab und zu segelt ein Drachenflieger aus den Bergen, um dann sanft auf der großen Wiese zu landen. Zwei Kirchen hat man im Dorf gelassen, die protestantische läutet immer etwas früher als die katholische. Vielleicht will man nur auf sich aufmerksam machen, denn die Besucherzahl der Kirchen scheint nicht gerade berauschend zu sein.

Wanderer und noch mehr Wanderer sind zu sehen, hier in diesem Bergdorf. Sie haben ihre Rucksäcke fest auf dem Rücken geschnürt, die Wanderstücke in die Luft ragend, wohl mit der Bedeutung, dass es hoch hinaus gehen soll. Mit sicherem Schritt gehen sie durch Täler und Berge, bis sie einen Gasthof auf halber Berghöhe entdecken. Von Zeit zu Zeit sieht man auch eine Seilbahn, die den Aufstieg etwas erleichtern soll. Nach der Heimkehr kommt man noch am Kneippwasser vorbei – das eiskalte Wasser kühlt nicht nur die Beine, sondern auch den Kopf.

Im Ort herrscht weitgehend Ruhe, bis man sich zum Abendessen beim Wilden Männle einfindet. Dort spielen dann Musikanten im munteren Takt, bayrische Polkamusik steht wie jeden Abend auf dem Programm. Wenn man Glück hat, dann bleiben die Akkordeonspieler am Tische stehen und laden zum Spirituosenteilen ein. Die wilden Männle kommen alle fünf Jahre zusammen, um ihren keltischen Tanz zu zeigen. Dann tanzen sie im Kreis und in Pyramiden. Im Internet wird dieser älteste Tanz aber nicht zu finden sein.

Die Speisen sind immer noch bajuwarisch: Schweinsbraten, Krautsalat und natürlich Knödel. Die „Stärkeren“ trinken ein dunkleres Bier dazu, andere bleiben beim Hellen. Dass Allgäuer Kässpatzen ähnlich dem schwäbischem Käsespätzle sind, wird hier keinem verraten. Wenn man sich aber erkundigt, bekommt man das Hausrezept im Einzelnen beschrieben.

Die Geschäfte haben wenig Zulauf, da man hier aufs Laufen und nicht aufs Kaufen bedacht ist. Nur die Kässtube bekommet Gäste, die davon gehört haben, dass der heimische Käse zu empfehlen ist. Nur, wie kann man ihn bestellen? „Was für Käse haben sie? Ist er mild oder scharf? Welchen heimischen Käse gibt es?“ Die Verkäuferin wird ungeduldig. „Mögen Sie überhaupt Käse?“ fragt sie schließlich, um sich zu vergewissern, dass man nicht ihre kostbare Zeit verschwendet. Dann möchte sie nur noch wissen, ob der Käse vakuumiert werden soll. „Wie bitte?“ „Vakuumiert“, wiederholt sie etwas grimmig.

Der ältere Herr an der Theke beobachtet genau, wer hier aus- und eingeht. Platz machen sollen sie, damit die Gäste durchkommen können. Er beobachtet genau und sieht, wie ein Gast versucht ihre Brille zu säubern. In Blitzeseile kommt er dazu und bringt ein Papiertuch. „Kenne ich“, sagt der dann, „meine Brille ist auch immer schmutzig“. Die Eisverkäuferin erklärt gleich ihre ganze Lebensgeschichte. Aus Italien kommend, verkauft sie nur sechs Monate lang ihr Eis. Da sie den Rest des Jahres mit dem Gehalt auskommen muss, verbringt sie ihn dann in Thailand.

Manche Wanderer bereiten sich auf die große Alpenüberquerung vor, wenngleich Elefanten, wie einst zu Hannibals Zeiten, schwer zu finden sein dürften. Konditionstraining und Krafttraining ist angesagt. Kniebeugen, Ellbogenstützen und Bodenpaddeln gehören dazu. In der letzten Woche darf man sich ausruhen, um dann mit voller Kraft die Berge zu erstürmen. Hannibal hatte es schon schwieriger, den richtigen Weg über die Alpen zu finden, aber letztlich hat er es mit seinen Elefanten und seinen Truppen geschafft. Noch heute suchen Forscher den genauen Weg, den er über die Alpen genommen hat. Dies lässt sich gut mit einem Bakterientest in der Tiefe des Bodens nachweisen, denn Elefanten hinterlassen deutliche Spuren.

Es ist ein ruhiger Ort, ein Ort für Wandernde, hier in den Bergen, wo die Wolken irgendwie näher erscheinen, wo Musikanten noch Heimatmusik pflegen, und wo die Einheimischen nur dann ihren Bergkäse verkaufen, wenn man weiß, wie man danach fragt.