19. März 2022
Diesmal aus Sanibel
Es ist angenehm heiß hier, auf dieser Insel, keine Wolke zeigt sich am Horizont. Ein leichter Wind bewegt die Palmenblätter ein wenig, und ein gelber Schmetterling hebt sich sanft durch die Lüfte. Die fast tropischen Temperaturen verlangsamen menschliche Bewegungen, hier läuft niemand im überhasteten Takt einer Großstadt.
Es ist die Insel der älteren Semester, nur hier und da sieht man ein Kind am Strand spielen. Sie sind die kleinen Wasserläufer, die es den Strandläufern nachmachen mit ihren kleinen, schnellen Beinen. Sie bauen Sandburgen mit den Großen, die sich in ihre Kindheit zurückgeworfen fühlen. Das Meerwasser ist sehr warm, es lädt zu einer Erfrischung ein, und die Kleinen fangen hier und da etwas Seetang ein.
Dort drüben hat sich eine Neurologin ein Haikostüm übergezogen, sie muss unbedingt ein Foto mit ihrem Partner haben; es macht ihr aber nichts aus, der jüngsten Generation einen Schrecken einzujagen. Haie am Strand? Dann eher die echte Seekuh, die besonnen durch die Wässer zieht und von den Strandwanderern bewundert wird. Währenddessen unterhalten sich die Männer nebenan nur über die Footballmannschaften, die ihnen am Herzen liegen. Ohio State? Lieber nicht. Kansas City Chiefs? Etwas Respekt ist angesagt.
Es ist auch die Zeit der Loggerheadschildkröten, die jetzt abends wieder an den Strand kommen, um im Gestrüpp ihre Eier zu verstecken. Nur das Licht in den Siedlungen verwirrt, denn die kleinen Nachkömmlinge richten sich nach dem Mondschein, um den Weg in das große Wasser zu finden. Deshalb sind alle Besucher angehalten, in der Dunkelheit die Fensterläden zuzuziehen. Wenn sich dann die Leguane zurückhalten sollten, haben die Schildkröten vielleicht eine Chance.
Die Alligatoren bewegen sich auch kaum in dieser Hitze. Sie verstecken sich unter kleinen Brücken, oder unter den Mangrovenbäumen. Vielleicht warten sie auch nur darauf, dass kleine Kinder sich über das Wasser beugen, um sie zu streicheln.
Die Orangen schmecken ungewöhnlich bitter hier, im Land der Apfelsinen. Irgendwie scheint etwas nicht zu stimmen, denn auch die Bäume sind nur noch spärlich mit Blättern versehen. „Citrus Greening“, sagen sie dann, schlimmer hätte es nicht kommen können. Der asiatische Citrus psyllid hat schon mehr als ein drei Viertel der Orangenernte zerstört, es gibt kein Gegenmittel, und es kann noch viel schlimmer kommen. Umso besser sehen die Mangobäume aus; die Einheimischen sind überrascht, dass die nordländischen Besucher diese Früchte nicht besonders gut kennen.
Dantes Köche stören sich nicht an den Ernteproblemen, sie legen allerhöchstens Ananas auf ihre Pizzen. Gekonnt schleudern sie den Teig in die Luft, und die Kinder schauen mit offenem Mund und staunenden Blicken zu. „Die beste Pizza auf der Insel“, schwärmen die Einheimischen. Im Fischrestaurant gibt es dann weißen Zackenbarsch, gegrillt oder paniert. Nur wenige Besucher wagen sich jedoch in die COVID-geplagten Wirtschaften, aber wenn möglich, wird draußen serviert.
Es ist immer noch ein paradiesischer Zufluchtsort, man kann bei jedem Wetter durchatmen und froher Gesinnung sein, hier, wo die Menschen etwas langsamer treten, wo die Apfelsinen zurzeit bitter schmecken und wo die Schildkröten langsam über die Strände ziehen, um ihre Nachkommenschaft zu sichern.